Symbolbild Versetzung durch den Chef

Verbindlichkeit von unbilligen Weisungen z. B. bei Versetzungen an einen anderen Arbeitsort

Bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses werden regelmäßig nur die wesentlichen Rahmenbedingungen, wie Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung sowie die Vergütungs- und Urlaubsansprüche vertraglich geregelt. Die Ausgestaltung der tatsächlichen Arbeitsausübung wird sodann von dem Arbeitgeber im Rahmen des ihm zustehenden Direktions- bzw. Weisungsrechtes einseitig angeordnet. Auf Grundlage des aus § 106 Gewerbeordnung resultierenden Weisungsrechts darf der Arbeitgeber die konkreten Arbeitsbedingungen nach billigem Ermessen im Einzelnen bestimmen, sofern nicht vertragliche, tarifvertragliche oder gesetzliche Regelungen entgegenstehen. Ein unberechtigter Verstoß des Arbeitnehmers gegen eine solche Anweisung des Arbeitgebers kann grundsätzlich arbeitsrechtliche Konsequenzen, wie eine Abmahnung oder gar eine Kündigung zur Folge haben. Es stellt sich jedoch die Frage, ob auch eine unbillige Weisung für den Arbeitnehmer Verbindlichkeit erzeugt.

Wenn nun der Arbeitgeber eine Weisung erteilt, der Arbeitnehmer hiermit jedoch nicht einverstanden ist und diese für unbillig hält, stellt sich die Frage, ob der Anordnung trotzdem Folge zu leisten ist. Mit der Klärung solcher Fragen mussten sich schon oftmals die Arbeitsgerichte beschäftigen. Nach der aktuell geltenden Rechtsprechung des 5. Senats des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2012 ist der Arbeitnehmer auch an eine unbillige Arbeitgeberweisung vorläufig gebunden und muss dieser Folge leisten, bis von einem Arbeitsgericht rechtskräftig festgestellt worden ist, dass die Weisung unbillig und damit unverbindlich ist. Im Fall einer Weigerung des Arbeitnehmers vor der abschließenden gerichtlichen Klärung, setzt dieser damit seine Vergütungsansprüche und seinen Arbeitsplatz aufs Spiel.

Diese höchstrichterliche Entscheidung hatte erhebliche Auswirkungen und ist bis heute umstritten, da damit eine einseitige Risikoverlagerung auf den Arbeitnehmer einhergeht. Stellen Sie sich vor, Ihr Arbeitgeber ordnet in unbilliger Weise an, dass Sie ab der nächsten Woche statt in Neuruppin in Oranienburg Ihre Arbeit verrichten sollen. Dieser Weisung müssten Sie zunächst solange Folge leisten, bis Monate oder gar Jahre später durch eine gerichtliche Entscheidung die Unverbindlichkeit der Weisung feststellt wird.

Versetzung durch den Arbeitgeber

Neue Rechtssprechung bei unbilliger Versetzung per Weisung

In den letzten Jahren haben sich daher einige Instanzgerichte, so u.a. das LAG Hamm (Urteil vom 17.03.2016, Az.: 17 Sa 1660/15) dem entgegengestellt und entschieden, dass eine unbillige Weisung keine vorläufige Bindungswirkung für den Arbeitnehmer entfaltet. Die in dem betreffenden Fall von dem Arbeitgeber ausgesprochenen Abmahnungen sowie die fristlose Kündigung, welche auf die Weigerung des Arbeitnehmers folgten, den Arbeitsort zu wechseln, wurden für unwirksam erachtet. Dieser Fall liegt nun dem 10. Senat des BAG zur Entscheidung vor. Die Richter des 10. Senats erwägen, der Auffassung des LAG Hamm zu folgen, was im Gegensatz zu der bisher geltenden Rechtsprechung stünde. Daher wurde Mitte Juni bei dem 5. Senat des BAG angefragt, ob dieser beabsichtigt, seine bisherige Auffassung beizubehalten.

Mit seinem Antwortbeschluss vom 14.09.2017 hat der 5. Senat kürzlich mitgeteilt, dass er an der bisherigen Rechtsauffassung nicht länger festhält. Damit wurde für den 10. Senat die Möglichkeit eröffnet, in dem zur Entscheidung vorliegenden Fall eine neue Rechtsprechungslinie bezüglich der Verbindlichkeit von unbilligen Weisungen einzuführen. Es dürfte damit nur noch eine Frage der Zeit sein, bis die zu erwartende Rechtsprechungsänderung eintritt.

Solange die Frage der vorläufigen Verbindlichkeit einer unbilligen Weisung vom 10. Senat des BAG noch nicht abschließend geklärt ist, empfiehlt es sich weiterhin, den Weisungen des Arbeitgebers zunächst Folge zu leisten und parallel dazu eine gerichtliche Überprüfung einzuleiten, um nicht den Bestand des Arbeitsverhältnisses zu gefährden. Aber auch wenn der 10. Senat die Rechtsprechung voraussichtlich ändern wird und der Arbeitnehmer dann an unbillige Weisungen nicht mehr gebunden ist, trägt derjenige, welcher sich einer für unbillig erachteten Weisung des Vorgesetzten widersetzt, immer noch ein erhebliches Risiko. Daher sollten Sie nach Erteilung einer fragwürdigen Weisung des Arbeitgebers in jedem Fall die Billigkeit derselben von einem auf Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwalt überprüfen lassen, bevor Sie über das weitere Vorgehen entscheiden.

Wenn Sie Fragen zur Rechtmäßigkeit der Ausübung des Weisungsrechts, der Verbindlichkeit bzw. Billigkeit von einzelnen Weisungen oder zu anderen arbeitsrechtlichen Sachverhalten haben sollten, stehen wir Ihnen gerne mit Rat und Tat zur Seite.

Rechtsanwalt Markus Münchow

Fachanwalt für Arbeitsrecht